„The Living Theatre wants nothing less than to rewrite the theatrical contract“, schrieb die New York Times über jene Gruppe, die seit nunmehr 70 Jahren in Amerika und Europa postdramatische Bühnenpraktiken mit pazifistisch-anarchistischem Engagement verbindet. Wer die bewegte Geschichte des Living Theatre studiert, merkt, dass Modebegriffe unserer Tage wie ‚interdisziplinär‘, ‚partizipativ‘ und ‚site-specific‘ wohl allenfalls eine diskursive Renaissance erleben. Die Aktivierung der Zuschauer*innen, die intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Bühnenort und ein die Künste umfassendes Theaterverständnis zielte in der Arbeit des Living Theatre nie nur auf die Form, sondern war mit dem Anliegen verbunden, revolutionären sozialen Wandel herbeizuführen. „I don’t make a difference between poetry and anarchism“, sagte Judith Malina, eine der beiden Gründerinnen des Living Theatre, noch kurz vor ihrem Tod 2015.
Ausgehend von einer Beschäftigung mit dem Improvisationsstück Paradise Now (1968) gingen die Studierenden der Cheers for Fears Community der Frage nach, welche Rolle das Living Theatre für eine zeitgenössische künstlerische und/oder aktivistische Praxis heute einnehmen kann. Wie lasse ich das Publikum Teil einer performativen Situation werden, die über den Abend hinaus wirkt? Wie gelingt es, mit meiner Aktion Einfluss auf gesellschaftliche Diskurse zu nehmen und nicht vielmehr das bestehende zu bestätigen oder zu stabilisieren? Kann das Theater eine Maschinerie für die Konstruktion von Zukunft sein? So wurde Paradise Now analysiert, befragt, zerlegt, zertrümmert, künstlerisch re-enactet, nachvollzogen, neu zur Aufführung gebracht.
Die Performance entstand im Rahmen der Cheers for Fears Sommerakademie, ein Projekt interdisziplinärer künstlerischer Auseinandersetzung. Teil der Akademie war ein hochschulübergreifendes Seminar zum Living Theatre, das Prof. Sven Lindholm (Szenische Forschung Ruhr-Universität Bochum) im Sommersemester 2016 veranstaltet. Eine Intensivwoche mit Vorträgen, Workshops und ersten Proben fanden Ende Juli im Zentrum für Kunsttransfer/IDfactory der TU Dortmund sowie dem Dortmunder U statt, in Kooperation mit dem Institut für Kunst und Materielle Kultur, PIA, Plastik und Interdisziplinäres Arbeiten von Prof. Ursula Bertram.
Impressionen